In den letzten drei Jahren konnte ich immer sehr positiv über die sportliche Leistung beim 89,3 km langen Comrades Marathon in Südafrika berichten. Alles lief so ab, wie ich mir es vorgestellt hatte. Da schreibt sich ein Erlebnisbericht natürlich leicht von der Hand. Auch jetzt beim vierten Anlauf in 2010 war ich bestrebt, meine gesteigerten Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Die Bill Rowan Medaille sollte am Ende wieder herausspringen, wofür eine Finisherzeit von Sub 9 Stunden erforderlich ist. Gleich vorweg - geschafft habe ich dieses Vorhaben diesmal nicht. Warum ich den Lauf trotzdem nicht als Misserfolg werte, könnt Ihr dem nachfolgenden Bericht entnehmen.

In den letzten drei Jahren konnte ich immer sehr positiv über die sportliche Leistung beim 89,3 km langen Comrades Marathon in Südafrika berichten. Alles lief so ab, wie ich mir es vorgestellt hatte. Da schreibt sich ein Erlebnisbericht natürlich leicht von der Hand. Auch jetzt beim vierten Anlauf in 2010 war ich bestrebt, meine gesteigerten Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Die Bill Rowan Medaille sollte am Ende wieder herausspringen, wofür eine Finisherzeit von Sub 9 Stunden erforderlich ist. Gleich vorweg - geschafft habe ich dieses Vorhaben diesmal nicht. Warum ich den Lauf trotzdem nicht als Misserfolg werte, könnt Ihr dem nachfolgenden Bericht entnehmen.

Irgendwie war das Jahr nach dem Comrades 2009 sportlich ein ziemlich komisches Laufjahr für mich. Sozusagen ... Pleiten, Pech und Pannen am Fließband. Total missratener Bestzeitenversuch für unter 3 Stunden in Berlin, verpatzer Qualifikationsmarathon in Frankfurt, schlechtestes Marathonergebnis aller Zeiten beim Valley of Fire Marathon in den USA, der superlange und extrem nervige Winter mit dem 50K Lauf auf vereistem Untergrund in Rodgau waren einige Eckpunkte dieser Zeit. Irgendwie habe ich es trotzdem immer wieder geschafft, die positiven Seiten dieser Mieseren hervorzuheben. Es waren zum Großteil extrem tolle Lauferlebnisse dabei!

Das Ende der langen Vorbereitung auf den Comrades Marathon 2010 passte da schön ins Bild hinein - erfolgreiche Trainingsmarathons in Kandel, Bad Staffelstein und Hamburg, gefolgt von fast 3 Wochen Laufpause wegen einer nicht enden wollenden Erkältung. Mit einem leicht mulmigen aber erwartungsfrohen Gefühl reiste ich zum vierten mal in den Süden Afrikas. Immerhin gab es die 85. Auflage des Comrades Marathon zu feiern und ganz Afrika war wegen der kommenden Fußball-WM im Stimmungshoch.

Über 23.500 Läufer hatten sich im letzten Jahr für den Comrades 2010 angemeldet. Etwas ungewöhlich empfand ich die Anmeldeprozedur. Zuerst konnten sich nur erfahrene Comrades Läufer anmelden, dann erst die Comrades Neulinge. Der Run auf die Anmeldung war riesengroß und innerhalb weniger Wochen verkündete der Veranstalter "Ausgebucht" ! Etwas erstaunt vernahm ich kurz vor dem Start in Pietermaritzburg die Nachricht, dass sich nur etwa 16.459 Läufer Ihre Startnummer abgeholt hatten. Über 7.000 Läufer haben ihr Startrecht letztendlich nicht wahrgenommen. Für den Lauf im nächsten Jahr wird die Anmeldung ähnlich früh abgewickelt. Hmmm ... was bezweckt der Veranstalter eigentlich damit?

Also hier stand ich nun wieder - Sonntagsmorgen um 5:15 Uhr bei ca. kalten 8°C vor dem alten Rathaus in Pietermaritzburg. Ich wusste jetzt genau was mich in den nächsten Minuten alles erwartete. Gänsehaut eben. Ich freue mich jedesmal auf die besonderen Minuten vor dem Startschuss. Die morgendlichen Vorbereitungen auf die kommenden Strapazen verliefen nahezu perfekt. Kein Stress im Vorfeld, das gab Selbstvertrauen.

Kurz nach halb sechs setzte sich die Läufermasse in Bewegung. In den dunklen Straßen von Pietermaritzburg beginnt man eher etwas zurückhaltend. Durch das minutenlange Warten im Startblock waren die Knochen etwas eingefroren und da schadet ein langsames Anfangen nicht wirklich. Nach zwei Kilometer warf ich mein erstes Kleidungsstück ab. Die Winterlaufjacke fand am Straßenrand gleich einen glücklichen Abnehmer. Die Straßen sind mit Anwohnern und Läuferbegleitungen für diese recht frühe Uhrzeit sehr gut gefüllt. Tolle Stimmung! Ich fühlte mich gut und stellte mich innerlich auf die schwere Strecke ein.

Fast 7 Kilometer lang lief ich meinen Stiefel im geplanten Schnitt von 5:30 Min/km ab. Dann verspürte ich in der Magen-/Darmgegend einen Druck, der mir Unheilvolles ankündigte. So'n Mist ... so früh schon aus dem Laufrythmus zu kommen um ein am Rand stehendes Dixie zu besuchen? Ich lief erst einmal weiter ... Bergab auf dem Weg zu der ersten langen Steigung Polly Shorts nach 8 km wurde es dann kritisch. Jetzt sollte ich wirklich einen Stopp einlegen. Der Magen verkrampfte schon und ich musste nach den blauen Häuschen Ausschau halten. Oben am Top von Polly fand ich glücklicherweise eines. Letzte Rettung! Mist ... besetzt, alle beide. Weiterlaufen konnte ich nicht mehr und so musste ich knapp ne Minute warten, bis ich mich erleichtern durfte.

Nach dem kleinen Schock lief ich wieder an. Nach der 80 km to Go Zwischenzeit lag ich immer noch gut im Soll. Ich wurde aber etwas nachdenklich, denn ich hatte gerade einen ziemlichen Durchfall erlitten. Ich hoffte, mein Darm ist nun leergeräumt und ich kann den Lauf wie geplant fortsetzen. Nach dem Abstieg Polly Shorts folgte Little Pollys, auch eine nicht zu verachtende Unregelmässigkeit in der Landschaft. Die letzen drei Kilometer konnte ich bereits wieder im gewollten Lauftempo abwickeln. Beim Abstieg von Little Polly schlugen die Magenkrämpfe dann erneut zu und ich suchte händeringend nach einem weiteren Dixie. Diesmal fand ich eines ohne Wartezeit. Wieder Durchfall! Au Backe, das lässt Schlimmes erahnen. Ich musste an den Uli Tomaschewski denken, dem gleiches Schicksal im letzten Jahr ereilte. Allerdings zum späteren Zeitpunkt auf der Strecke. Uli kam damals erst einige Minuten vor Toreschluss im Ziel an - völlig fertig. Was mache ich nur, wenn das mit dem Durchfall so weitergeht?

Erst einmal weiterlaufen. Zuerst durch Lion Park (nächster WC Stopp) liefen wir zu Umlass Road hoch, dem höchsten Punkt der Strecke. Schöne Gegend hier. Auch kurze Zeit danach stand eine weitere Notpause auf dem Programm. Ich verlor jetzt schon einige Minuten auf meine geplanten Durchgangszeiten. So richtig erfreut war ich nicht darüber, aber egal. Die Warterei an den Dixiehäuschen dauerte nun auch schon etwas länger. Herrschte viel Betrieb auf den stillen Örtchen. Meine mitgeführte Ration an Saltsticks minimierte sich schnell, denn ich versuchte durch die erhöhte Zufuhr an Salz und Mineralien den Verlust wegen dem Durchfall etwas auszugleichen. Auch griff ich bereits zu Coca Cola, was ich eigentlich noch nie so früh im Rennen getan habe. Kurz dachte ich auch schon mal ans Aufhören, aber so lange ich noch weiterlaufen konnte ohne mich zu sehr zu quälen, wollte ich es nicht dazu kommen lassen.

Nach 30 km bei Cato Ridge erwarte ich die Deutsche Fangemeinde um die Reisegruppe von Werner Otto. Ich hoffte dort auf eine Portion Hühnersuppe, die ich in Auftrag gegeben hatte. Hey, das klappte auch prima! Doris, die Frau von Uli, gab mir einen Becher Hühnersuppe mit Nudeln und goss ihn mit heißem Wasser auf. Ich griff mir noch einen Plastiklöffel und trabte mit dem Becher los. Viel Zeit kostete diese Aktion im Verhältnis zu einem Dixie-Stopp nicht. Die Suppe würde mir sicherlich gut tun. Nach einigen Minuten leerte ich den Becher hungrig aus. Von hier aus waren es noch 60 km bis ins entfernte Ziel von Durban und gerade passierte mich der 9 Stunden Bus ... die Tempogruppe und damit meine letzte Hoffung auf einen sportlich erfolgreichen Lauf. Ich musste die Gruppe schnell ziehen lassen.

Bis jetzt hatte ich insgesamt fünf ungewollte Stopps einlegen müssen. Nach dem Genuss der warmen Hühnersuppe ging es meinem Magen deutlich besser. Mein Lauftempo pendelte sich bei etwa 6:20-6:30 ein. Für mich nicht schnell, aber dafür ein Tempo das meinem Magen ganz gut bekam. Ich lief von Anfang an mit einer Deutschlandflagge im Gepäck. Die Flagge verschaffte mir etwas Ablenkung während des Laufs. Immer wieder wurde ich in Gespräche mit anderen Läufern verwickelt und lernte so nebenbei den einen oder anderen deutschen Starter kennen. Auch von den Zuschauern bekam ich durch das Zeigen der Flagge viel positive Resonanz. Von nun an wird hier Flagge tragen Standard für mich sein.


Kilometer für Kilometer schrubbte ich jetzt runter. Die harten Steigungen wanderte ich nach oben um dann gemütlich meinen Stiefel weiterzulaufen. Mein Magen hatte sich Gott sei Dank etwas beruhigt und ich nahm mir das Absichern der Bronzemedaille als nächstes Ziel vor. Dazu bedurfte es eine Zielankunft unter 11 Stunden. Dadurch dass ich die Laufstrecke schon ganz gut kannte, hakte ich eine markante Stelle nach der anderen ab. Inchanga Hill, Halfway in Drummond, Bothas Hill, Hillcrest und Winston Park. Etwa 30 km vor dem Ziel passierte mich der Sub 10 Stunden Tempobus. Auch dieser Gruppe konnte ich nicht allzu lange folgen, denn mit fortlaufender Dauer des Laufs rumorte mein Magen wieder.

Vor Fields Hill (24 km to Go) hatte ich den größten Respekt. 3 km hart bergab auf einer dreispurigen Autobahn. Den größeten Teil wanderte ich den Berg mit meinen müden Beinen runter. Berab rumorte auch meinen Magen wieder extrem. Es war gut für mich hier nicht so hetzen zu müssen. In Pinetown kam ich guten Mutes an. Meine derzeitigen Zwischenzeiten deuteten auf eine Endzeit von 10:30 Std hin. Also keine Gefahr für Bronze. Auf zu Cowie Hill, der letzten großen Steigung. Wieder wanderte ich die Steigung solange hoch, bis ich die TV Kameras erblickte. Schnell wechselte ich wieder in mein normales Lauftempo um. Wollte wenigstens so tun, als ob es noch gut läuft. Oben an Cowie Hill angekommen, hatte ich Durst. Doch weder hatte ich Lust auf Cola, Iso oder Wasser. Meine Augen wanderten umher und ich erblickte eine Bier-Zapfanlage bei einer größeren Zuschauergruppe. Auch an Cowie Hill wird traditionsgemäß gefeiert was das Zeug hält und das wollte ich ausnutzen.

Ich fragte eine junge Frau, ob vielleicht noch etwas Bier für mich da wäre. Sie sah meine Flagge und lachte."Yeah, beer for the German guy!". Und schon hielt ich einen halben Becher kühles Bier in meinen Händen. Die Hälfte davon trank ich sofort. Man, das war lecker! Die Läufer neben mir lachten oder schüttelten den Kopf. Ich traute mich nicht, den Becher ganz leer zu trinken und goss den Rest leider weg. Alkohol auf nüchternen Magen, und dann noch auf einen so geschädigten Magen. Ob das gut geht?

Ja das ging gut ... und wie ... zumindest eine kurze Zeit lang. Drei Kilometer später verspürte ich plötzlich den Drang schneller zu laufen. Nach den letzten Hochrechnungen konnte ich sogar noch eine Zeit unter 10 Stunden schaffen. Dazu benötigte ich "nur" noch einen Schnitt von 6:45 für den km. Warum nicht? Auf der leicht abfälligen Autobahn rannte ich los. 5:15-5:25er Schnitt schaffte ich jetzt - 5 km lang. Kurz vor dem letzten Cut-Off 7 km vor Schluss kam noch einmal eine fiese Steigung. Ich beschloss, die Steigung hochzuwandern und dann das Tempo wieder aufzunehmen. Das wars dann! Nach dieser Steigung war die Wirkung des Bieres wohl verpufft. Jetzt ging gar nix mehr. Meine Beine waren wie Pudding und die Motivation auf die Sub 10 auf einmal verflogen.


Von nun an ging es im wechselnden Lauf- und Gehschritt bis in Ziel. Geschafft! Trotz der Magenmisere oder gerade wegen dieser Geschichte war ich zufrieden mit mir. Nicht unbedingt glücklich - aber wirklich zufrieden. Das hätte auch anders für mich enden können. Meine Endzeit: 10:22:41 Stunden.

 

Shosholoza
Kule ... Zontaba
Stimela siphume South Africa

Wen'uyabaleka
Wen'uyabaleka
Kule ... Zontaba
Stimela siphume South Africa

Im nächsten Jahr wieder? Na klar ... am 29.05.2011 beim Up-Run kann und werde ich es bestimmt wieder besser machen ...


4 der 5 Taunusläufer in 2010. Der Taunus mutiert langsam zur Comrades Marathon Hochburg! Cool